Inhalt
Übersicht
Die Arbeitsgruppen des Klimabeirates haben sich in mehreren Sitzungen mit dem Erreichen der Klimaziele des vom Rat der Stadt beschlossenen Klimaplans 2030 auseinandergesetzt. Dabei wurde versucht, in den verschiedenen Handlungsfeldern Abschätzungen vorzunehmen, Inwieweit die konkreten Klimaziele, die im Klimaplan bis 2030 gesteckt wurden, bei der derzeitigen Handlungsweise erreichbar sind. Dies ist in Bereichen wie der Energieerzeugung sehr viel besser abschätzbar als in anderen Bereichen wie z.B. der Mobilität, da in vielen Fällen keine konkreten Zahlen oder Indikatoren vorliegen. Daher fallen die Abschätzungen in den verschiedenen Handlungsfeldern sehr unterschiedlich aus.
Es ist jedoch festzustellen, dass in keinem der untersuchten Handlungsfelder Energieerzeugung, Mobilität, Bauen und Sanieren sowie Wirtschaft die gesteckten Ziele bis 2030 erreicht werden, wobei die Chancen für den Bereich Energieerzeugung am größten sind. Im Bereich erneuerbarer Energieerzeugung kann bei einer Verdopplung des derzeitigen Zubaus von Photovoltaik-Anlagen auf den privaten und Firmen-Hausdächern und zügigen B-Plan-Aufstellungen für Freiflächen-PV-Anlagen etwa 60 % der erforderlichen PV-Leistung errichtet werden. Die Ziele für Windkraftanlagen könnten erreicht werden, wenn die Flächenausweisungen schnell erfolgen und sich kein nennenswerter Widerstand gegen den Bau der nötigen sieben Anlagen regt.
Im Bereich Bauen und Sanieren
werden die Ziele deutlich verfehlt, da eine Sanierungsrate von 4 %/Jahr nötig wäre, aber derzeit bei der Stadt selbst nur 1 % erreicht werden und diese Rate bei privaten Wohn- und auch bei Firmengebäuden vermutlich nicht wesentlich höher liegt, wie aus Auswertungen des Gas- und Stromverbrauchs abzuschätzen ist. Dies gilt auch für den Austausch von Gasheizungen gegen Wärmepumpen.
Im Bereich Mobilität
werden die Ziele am weitesten verfehlt; hier steigen die Emissionen derzeit sogar noch leicht an. Da der ÖPNV in den nächsten Jahren nicht wesentlich verbessert wird, der Autobestand in Göttingen weiter ansteigt und der Anteil von E-Autos sogar unter dem Bundesdurchschnitt liegt, kann nur eine massive Verbesserung der Bedingungen für RadfahrerInnen und FußgängerInnen bei gleichzeitiger Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs durch entsprechende Maßnahmen die Verkehrswende einleiten.
Im Bereich Arbeiten und Wirtschaften
werden die Ziele sicher verfehlt. Hier hängt alles von der Eigeninitiative der Betriebe und Unternehmen ab; die Stadt kann allenfalls anregen, informieren, beraten und unterstützen. Aber es gibt praktisch keine Informationen für das Gewerbe und die Wirtschaft zum Klimaplan der Stadt und seiner Ziele. Hier sind Informations- und Netzwerkveranstaltungen dringend geboten.
Zusammenfassung
Zusammengefasst bedarf es daher dringend einer Überprüfung und Erweiterung der geplanten Maßnahmen zum Klimaschutz insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Rat der Stadt durch Ratsbeschluss seine Klimaziele gegenüber dem Klimaplan 2030, der eine Klimaneutralität bis 2045 vorsah, nochmal deutlich verschärft hat und Klimaneutralität bis 2030 anstrebt. Dabei ist es besonders wichtig, viel mehr als bisher die BürgerInnen und Firmen über die Lage zu informieren und um aktive Mitwirkung für das Erreichen der Klimaziele zu bitten.
Im Anhang sind die Einschätzungen des Klimabeirates für die verschiedenen Handlungsfelder ausführlicher dargestellt.
Ausführliche Zusammenfassende Darstellungen des Klimabeirates zur Erreichbarkeit der Klimaziele für die einzelnen Handlungsfelder
1. Bereich erneuerbare Energie-Erzeugung
Für den Bereich Energieerzeugung und dabei insbesondere für den Bereich Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat der Klimaplan 2030 der Stadt Göttingen sehr konkrete Ziele formuliert: es sollen PV-Anlagen auf privaten, Firmen- und städtischen Dächern sowie große FreiflächenAnlagen mit einer Leistung von 406 MWp bis 2030 errichtet werden; derzeit gibt es davon rund 31 MWp.
Im Bereich Windstrom sollen Anlagen mit einer Leistung von 45 MW bis 2030 bebaut werden. Nach unserer Einschätzung sind folgende Ausbauziele erreichbar: Im Bereich Dach-PV kann der derzeitige Zubau von ca. 6 MWp pro Jahr, der deutlich unter dem vergleichbarer Städte liegt, sicher auf 10 bis 12 MWp pro Jahr verdoppelt werden. Das würde bis 2030 aufbauend auf den vorhandenen 31 MWp zu einer Kapazität von ca. 100 MWp führen. Für den Bereich großflächiger Freiflächen-PV-Anlagen wird der Bau von ca. 135 MWp bis 2030 für möglich gehalten. In der Summe macht das ca. 235 MWp und damit knapp 60 % des vorgegebenen Ziels.
Im Bereich Windenergie wird ein Ausbau von 7,5 MW pro Jahr für erreichbar gehalten, wenn die Flächenausweisungen zügig voran gehen. Damit könnten bis 2030 Windkraftanlagen mit einer Leistung von ca. 52 MW zur Verfügung stehen und so die Ziele sogar leicht übertroffen werden. In der Summe könnten also die Ziele des Klimaplans der Stadt zur Erzeugung erneuerbaren Stroms bis zum Jahr 2030 zu etwa 2/3 erreicht werden. Hierzu sind allerdings zügige Flächenausweisungen und Bau- und Genehmigungsverfahren sowie eine noch aktivere Beteiligung der Göttinger BürgerInnen von Nöten.
2. Bereich Bauen und Sanieren
Um die THG-Emissionen des Bereichs Gebäude zu reduzieren, müssen vor allem die Gebäude gedämmt und die Heizungen auf Wärmepumpen (oder andere Heizsysteme ohne fossile Energieträger) umgestellt werden, damit die Verbrennung von Gas (und Öl u.a. fossile Energieträger) zur Erzeugung von Wärme und Warmwasser zurückgeht. Die Reduktion von THG-Emissionen durch energetische Sanierung der Gebäude kann deshalb recht gut durch die Reduktion des Gasverbrauchs abgeschätzt werden, der verlässlich von den Stadtwerken für das ganze Stadtgebiet erfasst wird. Der Gasverbrauch war zwischen 2012 und 2021, bei großen Schwankungen wegen warmer Winter, konstant.
In 2022 und 2023 ist er so stark gesunken, dass der im Klimaplan angezielte Rückgang des Gasverbrauchs erreicht wird (siehe auch Controlling des Göttinger Klimabündnis ).
Allerdings kann daraus kein Trend geschlossen werden, weil erstens wg. des Ukrainekriegs seit Anfang 2022 starke und leicht erreichbare Gas-Sparmaßnahmen unternommen worden sind, die sicher nicht jedes kommende Jahr im gleichen Ausmaß erhöht werden können. Zweitens entspricht der Rückgang von 2022 auf 2023 in seiner Größe dem Rückgang von 2013 auf 2014, als der Winter ebenfalls, wie der vergangene, sehr warm war.
Im Klimaplan 2030 (mit Klimaziel 2045) wird auch eine Sanierungsrate von jährlich ca. 4% angestrebt. Wie viele Gebäude im Stadtgebiet saniert werden, wird nur für die im Besitz der Stadt befindlichen Gebäude erfasst, dort auch mit Angaben zur THG-Reduktion. Aus dem Energiebericht 2022 lässt sich ablesen, dass die jährliche THG-Reduktion durch Sanierungsmaßnahmen an städtischen Gebäuden zwischen 2017 und 2022 1% betrug. Das ist entschieden zu wenig.
Weiter wurden an 12 Gebäuden die Heizungen ausgetauscht, aber davon 9 mit neuen Gasheizungen versehen (die anderen 3 Fernwärme), was ebenfalls den Klimaplanzielen komplett entgegensteht. Wir halten es für dringend notwendig, dass die Stadt ihre Investitionsmittel stärker für energetische Sanierung einsetzt.
3. Mobilität
Im Bereich Mobilität verweist der Klimaplan 2030 vorrangig auf den Klimaplan Verkehrsentwicklung von 2018. Bei Umsetzung aller dort aufgelisteten Maßnahmen (Kombi-Szenario) sollten die CO2-Emissionen aus dem Bereich Verkehr bis 2025 um 38 % reduziert werden. Real sind die Emissionen jedoch seit 1990 sogar leicht angestiegen! Die dort gesetzten Ziele werden also weit verfehlt (siehe auch Verkehrs-Monitoring des Göttinger Klimabündnis ).
Auch die im Klimaplan 2030 formulierten Ziele (Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) um 2,5 % pro Jahr bis 2030, keine Verbrennerautos mehr ab 2045) werden verfehlt werden; die Zahl der zugelassenen Autos nimmt in Göttingen weiter zu, der Anteil an Elektroautos liegt erst bei 4,2 % (1.3.2023) und damit unter dem Bundesdurchschnitt. Die Gründe dafür liegen in der fehlenden Umsetzung vieler im Klimaplan Verkehrsentwicklung vorgeschlagenen Maßnahmen (deutliche Taktverdichtung im ÖPNV in der Stadt, aber auch auf den Hauptlinien des Landkreises, P+R-Plätze, Reduzierung der Parkplätze, Parkraumbewirtschaftung mit deutlicher Erhöhung der Parkgebühren, Ausbau von Mobilitätsstationen, Verbesserungen für den Radund Fußgängerverkehr etc.), aber auch im Verkehrsverhalten der BürgerInnen, die noch nicht im ausreichenden Maße auf die Autonutzung verzichten.
Da nach den aktuellen politischen Beschlüssen der ÖPNV frühestens 2028 weiter verbessert werden soll und auch dann keine weitergehende Taktverdichtung geplant ist, kann der für ein Erreichen der Klimaziele nötige Umstieg auf den Umweltverbund (Fuß, Rad, Bus) nur durch umfangreiche Verbesserungen für den Rad - und Fußverkehr erreicht werden, ergänzt durch Maßnahmen zur Reduktion des MIV. Hierzu tragen bei: Erhöhte Sicherheit und Attraktivität der Innenstadt durch Straßen- und Platzumgestaltungen zu Gunsten des Umweltverbundes in Kombination mit guter Erreichbarkeit für alle Bevölkerungsgruppen, innerstädtisches Tempolimit, Reduzierung und deutliche Verteuerung von Parkplätzen, autofreie Innenstadt und wirksames Verhinderung von Gehwegparken, zusätzliche Fahrradstraßen, Protected Bike Lanes und Fahrradwege, Rotmarkierung der Radwege und -Streifen, mehr sichere Radabstellanlagen an Schulen, Kultureinrichtungen und anderen Zielorten, Vorrang für den fließenden Radverkehr vor ruhendem Autoverkehr, Verbesserungen für Radfahrer an Kreuzungen und eine konsequente Umsetzung des Radentscheids.
4. Wirtschaft
Die im Klimaplan 2030 der Stadt Göttingen festgehaltenen Ziele für den Bereich Arbeit und Wirtschaft können mit den ebenfalls aufgeführten Maßnahmen keinesfalls erreicht werden. Einerseits wird der Bereich als größter Verursacher von THG-Emissionen und größter Stromverbraucher identifiziert, andererseits werden so gut wie keine greifbaren Maßnahmen genannt, wie diese Zahlen gesenkt und somit die Klimaziele erreicht werden sollen.
Von den im Klimaplan genannten Maßnahmen ist darüber hinaus bisher kaum etwas umgesetzt worden; Sofortmaßnahmen gibt es für dieses Handlungsfeld nicht. Auch fehlen konkreten Zwischenziele und Indikatoren für das Erreichen der Klimaziele.
Beim Konzern Stadt z.B. ist die Sanierungsrate deutlich zu niedrig zum Erreichen der Klimaziele. Das Projekt Klimaneutrale Verwaltung steckt noch in den Anfängen. Es ist klar, dass die Stadt beim Erreichen der Klimaziele auf die Mitarbeit und Eigeninitiative der Betriebe und Unternehmen angewiesen ist. Aber es gibt praktisch keine Informationen für das Gewerbe und die Wirtschaft zum Klimaplan der Stadt und seiner Ziele. Hier sind Informationsund Netzwerkveranstaltungen dringend geboten.
Auch dass die bisher getrennte Ausweisung der Universität bei Emissionen oder Energieverbrauch in den Klimaberichten aufgegeben wurde und in den Bereich Gewerbe subsummiert wurde, trägt nicht zur Überprüfbarkeit von Maßnahmen-Umsetzungen bei. Die Universität als ursprüngliche Masterplan-Partnerin sollte mit einem eigenen Umsetzungsplan ihrer Klimaziele als gutem Beispiel vorangehen.
Zusammengefasst muss festgehalten werden, dass mit den bisher durchgeführten und auch den geplanten Maßnahmen die Klimaziele und damit die Reduktion der Treibhausgase für den Bereich Arbeiten und Wirtschaften nicht erreicht werden können!